Kann man Resilienz trainieren?

Oder: Was haben ein dicker edding und eine spotify Playlist mit disruptiver Veränderung zu tun?

Ein Nachbar sagte gestern zu mir: „Die armen Kinder, die jetzt aufwachsen! Die kriegen alle einen Schaden!“

Ja, bestimmt gibt es Kinder (genauso wie Erwachsene) die sich sehr, sehr schwer tun in der derzeitigen Situation und die dringend professionelle Hilfe bekommen sollten. Aber im Großen und Ganzen ist meine Sichtweise eher, dass sehr viele starke und resiliente junge Erwachsene aus dieser Krise hervorgehen werden. Junge Menschen, die sich in einer sich rasant verändernden Welt viel besser zurecht finden werden, als wir Alten das tun werden. Junge Erwachsene, die Agilität nicht erst lernen müssen und für die ein offenes Mindset gegeben ist.

Dass Resilienz trainierbar ist, hatte ich mir schon fast gedacht. Wenn ich z. B. unsere Kinder beobachte, die so entspannt diese Covid-Situation meistern, dann glaube ich, dass wir mit unseren vielen Umzügen, Schulwechseln und disruptiven Veränderungen ein klein wenig dazu beigetragen haben. Ähnliches berichten mir in verschiedenen Foren Expat-Eltern oder Menschen, die schon lebensverändernde und harte Schnitte erlebt haben. Wird man nur durch Erleben resilienter? Oder kann man das lernen?

Einen Einblick, wie man Resilienz trainieren kann, bekam ich letzte Woche beim Facilitator Coffee Morning. Im Verlauf einer Design-Thinking-Session gab Rik Wagter uns eine scheinbar sehr leichte Aufgabe. Gesucht war eine Zahl aus unserer Facilitator-Spotify-Playlist. Der eine Teilnehmer präsentierte z.B. die Anzahl der Likes, der andere die Anzahl der Songs, aber Rick wurde sauer und wiederholte seine Aufforderung in einem eisigen Ton. Man spürte die Anspannung förmlich und immer mehr Zahlen schossen in den Chat. Hey, da war noch eine Zahl in “99 Luftballons” versteckt oder in “50 ways to leave your lover”. Aber Riks Tonfall wurde immer ungehaltenter. Alleine der Ton, in dem er seine Aufforderung wiederholte ließ und alle schwitzen. Und dann: 

– STOP ACTING – war es vorbei. Aber noch Stunden später, war ich angespannt und unruhig.

Mir ist dann eingefallen, dass ich in meiner Ausbildung bei der Coaching-Akademie Hamburg einmal mit meiner Gruppe ein Bild (ohne zu sprechen) malen sollte. Das war sehr herausfordernd, zumal eine Kollegin blind war und wir den Anspruch hatten, dass es einigermaßen aussehen sollte und dass alle an dem Bild mitwirken sollten.

Nach einer Viertelstunde kam der Trainer (Mathias Schmidt, ich werde ihn nie vergessen) mit einem dicken edding in den Raum und kirckelte über das Bild. Es war komplett zerstört. Dann ging er wortlos raus. Die Aufgabe ging dann noch weiter (Thema war der Umgang mit Chance), aber das will ich hier gar nicht weiter ausführen. Wichtig sind nur die Gefühle, die meine Gruppe und auch ich in diesem Moment hatten. Und waren denen von Montagmorgen im Facilitator Cafe ziemlich ähnlich. Der Trainer/Facilitator wird gehasst. Alles kaputt, der Arsch. Oder: Blödmann, das war echt eine kollaboratorische Meisterleistung – ätzend. Bei der Aufgabe mit der Spotify-Playlist habe ich gedacht: “Geht’s noch. Man, was soll das? Warum stellt er die Aufgabe nicht einfach klarer. Und dann redet der auch noch so unverschämt mit uns… “

Beide Methoden sind ein großartiges Training für eine bessere Resilienz. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man mit einer besseren Resilienz Burnouts vorbeugen kann. Allerdings hätte es mir in beiden Fällen geholfen, wenn es im nachhinein eine “Stop acting” Visualisierung gegeben hätte. Sonja Hanau schlug im Nachklang noch vor, bei Methoden dieser Art, ein “Acting is over”-Schild hochzuhalten, um den Teilnehmern den Switch leichter zumachen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man sich einmal abklopft, wie nach einer Aufstellungsarbeit.

Fazit ist also, dass entweder, das Leben einem Resilienz lehrt. Und wenn es das nicht tut, gibt es Mittel und Wege genau das zu lernen und zu trainieren. Ich habe am Montag und auch in den letzten Monaten bemerkt, dass ich definitiv noch Training benötige. Bis ich Zeit dafür habe, schaue ich mir den Umgang mit raschen Veränderungen einfach bei meinen Kindern ab. Die machen das einfach gut.

Ich denke manchmal: „Ach, jung möchte ich in diesen Zeiten auch nicht sein – was war das schön – damals!“ Diesen Satz habe ich bei meiner Omi immer gehasst. Die hat das schon vor über 30 Jahren zu mir gesagt :)))

„Denn Garantien, gibt dir keiner, der liebe Gott auch der nicht leider!“

Marius Müller Westerhagen